Mittwoch, Oktober 03, 2007

Nationalfeiertag

Heute ist der 3.10., der Tag der deutschen Einheit. Seit 1990 "unser" Nationalfeiertag. Es wird gefeiert, dass... ja was eigentlich? Was macht unser Land? Und warum bin ich als Einzelperson dem irgendwie zugehörig? Was ist das, ein Nationalgefühl? Wann gehört man "dazu"? Ich lebe direkt neben der Grenze zu Belgien und den Niederlanden, wenn das "Nationalgefühl" also etwas geographisches sein sollte, dann wäre ich wohl zu gleichen Teilen diesen Orten zugehörig. Aber das ist nicht so, es handelt sich also um meinen genauen Aufenthaltsort. Wenn ich aber verreise? Fühl ich mich plötzlich als Däne, wenn ich da bin? Nein, es wandert nicht mit, dieses angebliche Nationalgefühl. Vielleicht der Geburtsort entscheidend? Und wenn ich in einem anderen Land geboren worden wäre, z.B. im Urlaub meiner Eltern? Nee, trotzdem. Macht also irgendwie keinen Sinn, das örtlich zuzuordnen. Also politisch? Ist mein Pass entscheidend? Kann ja nicht sein, denn es gibt viele Leute mit deutschem Pass, die nicht mitspielen dürfen, die sich auch nicht als Mitspieler fühlen sollen. Wobei natürlich ohne Pass: alles noch viel schlimmer. Dann ist vermutlich gar kein Zugehörigkeitsgefühl mehr da. Ist also mehr eine Gefühlssache. Aber selber einfach so mal fühlen oder so, das geht nicht. Ah, vielleicht ist es das: man gehört dazu, wenn man dazugehört, weil die "anderen" einen dazugehören lassen. Klingt alles ziemlich hirnlos -- und das ist es auch, wie es mir scheint.
Also, wer sind die anderen? Wer ist der Staat? Ist das gut oder schlecht? Ein Staat schickt Menschen in den Tod. Verweigert ihnen die Einreise. Organisiert Kriege und Gewalt. Klar. Andererseits organisiert (oder, organisierte?) der Staat auch das öffentliche Leben und die sogenannte Ordnung. Er sorgt dafür, dass es Wasser und Strom gibt. Auch klar. Wobei ich natürlich immer wieder betone, dass es dafür keinen Staat sondern nur Mutualismus bräuchte. Egal. Also, dem Staat kann man irgendwie nicht mit diesen Maßstäben kommen. Der ist gut und schlecht zugleich. Und die "anderen Menschen"? Die zünden Asylbewerberheime an, kritzeln antisemitische Parolen auf jüdische Gemeindehäuser. Die saufen zuviel Bier und pöbeln dich im Zug an, weil sie auf dem Weg zu einem Fußballspiel sind. Oder sie streichen ihren Anzug glatt und entlassen 1000 Mitarbeiter. Klar. Andererseits malen die auch bezaubernde Bilder und retten Leben und lächeln einfach mal grundlos im Supermarkt. Oder sind so niedlich wie mein kleiner Neffe. Oder lieben mich so sehr wie meine Familie und meine Freundin. Auch klar. Schwierig, schwierig. Alles ist grau, hellgrau, dunkelgrau, bunt, gestreift, gepunktet. Fast nix ist ganz schwarz oder ganz weiss. Willkommen im 21. Jahrhundert.
Warum hab ich dann trotzdem so ein unterschwelliges Unwohlsein, wenn ich über unseren Staat nachdenke, der ja heute befeiert wird? Die negativen Punkte fallen mr wohl zu sehr ins Gewicht. Ich bin ein Querulant, der nur das Schlechte sieht? Der immer behauptet, die Anlagen und Mechanismen die zur "Endlösung" geführt haben sind in diesm Land immer noch da, immer noch aktiv. Und damit meine ich vielleicht nicht nur die offensichtlichen Pöbelglatzen. Naja, vielleicht mag ich es auch nicht, einfach so qua Geburt ohne meinen erklärten Willen "eingemeindet" worden zu sein. Ich hätte gerne meine Freiheit gehabt zu wählen. Ich bin ein Individualist, wie es scheint. In einem Rollenspielsetting von uns ("Infopunk") gab es GlobalID, eine Art international anerkannte Agentur, die "Pässe" an moderne Staatenlose vergeben hat, Drifter und Manager, Wissenschaftler und Abenteurer. Das würde mir gefallen. Andererseits kann man so nur leben, wenn die Kasse stimmt. Nicht sehr sozial, das ganze.
Jedenfalls: was da heute "alle" feiern, das kann ich nicht uneingeschränkt gut finden. Das Konzept gefällt mir nicht. Die Grundannahmen sind nicht akzeptabel. Menschen sollten nicht gezwungen werden einnander zu helfen -- sie sollten es freiwillig, wohl überlegt und aus freien Stücken tun oder es lieber lassen.
Dennoch will ich sagen, dass wir es (noch?) ziemlich gut haben hier. Noch bekommt man (etwas) soziale Hilfe, wenn man vom Schicksal gebeutelt wird. (Noch) wird man nicht "verschwunden" wenn man etwas regimekritisches loslässt, noch darf man in gewissen (enger werdenden Grenzen) Küssen wenn man will, anziehen was man will, sagen was man will. (Noch) gibt es ein relativ hohes Maß an Bildung, Freiheit, Gleichheit -- mehr zumindest als in Saudi-Arabien oder im Iran oder von mir aus auch in Somalia.
Oh. Das waren nun zufällig (?) drei Staaten, in denen der Islam stark ist. Heute ist übrigens auch Tag der offenen Moschee. Wikipedia sagt, "Seit 1997 veranstalten Moscheegemeinden in Deutschland den Tag der offenen Moschee und nehmen auf diese Weise an der Feier der Deutschen Einheit teil." Auf diese Weise? Naja, so richtig dazugehören wollen die wohl doch nicht. Weil die anderen Gemeinden und Vereine hier, die Dackelzüchter und von mir aus die Schachclubs -- die hängen sich ja auch nicht an den Tag ran, indem sie ihn auch zu ihrem Tag erklären. Da wird stillschweigend davon ausgegangen, dass die gleich subsummiert unter "alle" und "Einheit" mitfeiern. Nicht so die muslimischen Gemeinden. Klar, ich versteh die Idee... wir sind zugänglich, kommt schaut euch die Moschee an. Aber ich weiss nicht, ich hab in den letzten Jahren eine Meinung zum Islam bekommen, die mein Grundverständnis von "jeder soll machen was er will" stark angreift. Ich beginne mich zu fragen, ob ich vielleicht Vorurteile hab? Aber ich weiss nicht, der Islam scheint mir als Religion wie keine andere das Potential von Gewalttätigkeit, Hass und Intoleranz zu haben. Und ausserdem ist der "moderne Islam" weit mehr als eine Religion, es ist eine politische Bewegung. Und die steht, wie ich meine, für einen rollback sondergleichen, für den Inbegriff der politischen Antiemanzipation. Für das Antiindividuelle. Für die Antimoderne. Und diese Art anderen Menschen vorzuschreiben wie sie zu denken, leben, essen, furzen haben, dass sie ihr wunderschönes Haar unter Tüchern verstecken muss... das lehne ich entschieden ab. Klar, die christliche Religion etc macht das auch, oder hat es gemacht. Aber bei denen zeigt der Trend in Richtung Auflockerung, in Richtung Rückzug von der politischen Bühne. Und die Päpste planen nicht (mehr) ihre Schäfchen durch öffentliche Auspeitschung zur Räson zu bringen. Beim Islam nicht so. Da zeigt der Trend volle Möhre in Richtung Radikalisierung und Verschärfung.
Tag der deutschen Einheit. Tag der offenen Moschee. Ich weiss nicht, ihr begeistert mich alle nicht so recht. Ich hab anderes zu tun, glaub ich. Ich hab das Glück, dass ich meinen Halt nicht in einer "großen Gemeinschaft" suchen muss. Ich geh mir mal nen Kaffee machen, und dann ist auch schon fast wieder Donnerstag und der ganze faule Zauber ist vorüber.

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