Iain M. Banks, Matter, 2008
Hab gestern abend den neuen 'M.' Banks fertig gelesen. Ich lese ja ohnehin nur die M-Version, die Science Fiction Romane von Iain Banks. Und nachdem der letzte, The Algebraist (2004), nicht, oder zumindest nicht explizit, in der Culture-Serie anzusiedeln war, ist der neue Roman wieder eine klassische Culture-Novel.
Die Geschichte dreht sich im großen und ganzen um eine einzelne Idee. Natürlich stimmt das nicht wirklich. Banks' Science Fiction sprüht vor Ideen, verbindet sehr moderne Konzepte (Transhumanismus, intelligente Computer und Materialien etc) mit Plots von Galaxis-umspannenden und Äonen-durchscheitenden Ausmaßen. Das ist auch hier nicht anders, und die schiere Menge an brillianten kleinen Einfällen und Informationsschnipseln, die das komplexe, ambivalente Bild der panhumanen, pangalaktischen Zivilisation "Culture" mehr und mehr abrunden, ist fast einschüchternd. Trotzdem, eine zentrale Idee ist der Dreh- und Angelpunkt des Romans: die Idee von den Shellworlds. Dies sind künstliche Planeten enormen Ausmaßes, die im Grunde konzentrische Kugelhüllen sind (sagt man das?), jede Ebene etwa 1000km hoch und mit ziemlich vielen "Türmen" abgestützt. Im Zentrum der Shellworld gibt es einen "Maschinenraum" wo der WorldGod lebt, denn die riesigen Planeten waren einst für etwas anderes gedacht, als nur als Planet zu dienen -- als sie vor Milliarden von Jahren (!) erbaut wurden. Folgende Zivilisationen, vielleicht längst vergessen, haben die Ebenen der Planeten bewohnbar gemacht, kleine Sonnen installiert, die an den Decken herumrollen, haben Zivilisationen dort angesiedelt. Von einer solchen Shellworld, Sursamen, genauer gesagt vom Krieg zwischen den mächtigen Königreichen zweier Ebenen dieser Shellworld, geht die Geschichte aus. Verlässt die Welt für eine Weile, kehrt zurück. Und hat bei diesem Schlenker so derart an Fahrt und Maßstab gewonnen, dass am Ende weit weit mehr auf dem Spiel steht, als die machthungrigen Possen einer "unterentwickelten", ja vielleicht sogar barbarischen Zivilisation.
Und das ist ein Kernthema des Romans: das Verhältnis von Zivilisationen zueinander. Da gibt es die Sarl, die leicht unterentwickleten Bewohner der Shellworld Ebene 8, aus deren Reihen sich (neben den Banks typischen Dronen und Schiff-Minds) die meisten der Hauptdarsteller rekrutieren, welche von den Oct (aquatische Aliens) betreut oder als Mentoren überwacht werden. Die Oct (welche sich für besonders wichtig im Zusammenhang mit den Shellworlds halten) liegen mit den Aultridia (die sich auch für ziemlich wichtig halten) im Clinch und nutzen die Menschen der Shellworld für ihre Stellvertreterkriege. Die Oct und die Aultridia wiederrum werden von den Nariscene überwacht, welche wiederum von den Morthanveld überwacht werden. Erst die Morthanveld sind auf Augenhöhe mit der Culture, eine "involved"-civilisation, wobei "involved" hier "verwickelt in die galaktische Diplomatie" bedeuten soll. Und zwischen all diesen Schichten -- Schichten scheint ein Quell der Inspiration für diesen Roman zu sein -- herrschen strenge Regeln was Einmischung und Nichteinmischung angeht. Dies führt zu der amüsanten Sequenz, in der einer der Hauptdarsteller des Romans, Prinz Ferbin (der im Zuge des Romans zum galaktischen Exilanten wird), einen Morthanveld-Politiker zu überzeugen versucht, sich in den Konflikt im Sarl-Königshaus einzumischen... die "Erste Direktive" der Sternenflotte aus Raumschiff Enterprise lässt hier grüßen. Ist es moralisch gerechtfertigter, sich einzumischen um proximales Unglück zu verhindern, oder verhindert man eher distales Unglück wenn man sich nicht einmischt ... auch wenn dies kurzfristig Leid und Schrecken bedeutet?
Der Roman an sich ist gut, er ist anfänglich mysteriös und vertrackt, man bekommt gute Gelegenheit sich mit dem "Barbaren" Ferbin und seinem Diener Holse (der viel praktischer denkt als sein Herr und Meister) auf die weite Reise in die Culture zu begeben und zu lernen, eine prima Identifikationsfigur. Und zum Ende hin ist die Story derart fein vorangetrieben, derart actionreich, dass man die letzten 200 Seiten am liebsten am Stück weglesen würde. Hochsolide SF-Action-Kost. Auch wenn das Ende doch etwas, naja, abrupt und atemlos ist, wie ein gewaltiges Crescendo oder klirrendes Gitarrengekreisch am Ende eines Rocksongs.
Alles in allem aber, das muss man leider sagen, nicht Banks' allerbester SF-Roman. Die galaktischen Intrigen kommen nicht an die genialen Verwirrungen der Ship-Minds aus "Excession" heran, die Boden-Action dringen nicht in die dreckigen Tiefen und dramatischen Höhen von "Use of Weapons" vor. Dennoch ein sehr guter Culture-Roman mit einer soliden Geschichte. Hat ein wenig den Hauch von "das wollten meine treuen Fans mal wieder lesen"... was ja auch stimmt. Man kriegt den Hals einfach nicht voll von verschwörerischen AI's, renitenten Kampfdronen, lasziven Agentinnen der Special Circumstance Abteilung der Culture und von wirklich ziemlich bizarren Aliens. Mehr davon kann gerne kommen. Und die philosophischen Gedankenspiele über Einmischung und Nichteinmischung "überlegener" Kulturen in die Geschicke "weniger entwickelter" Gruppen hat, anders aber ähnlich, durchaus Bezug zu unserer Realität. Und SF ist einfach am besten, wenn es nicht nur um S oder F geht...
Hab gestern abend den neuen 'M.' Banks fertig gelesen. Ich lese ja ohnehin nur die M-Version, die Science Fiction Romane von Iain Banks. Und nachdem der letzte, The Algebraist (2004), nicht, oder zumindest nicht explizit, in der Culture-Serie anzusiedeln war, ist der neue Roman wieder eine klassische Culture-Novel.
Die Geschichte dreht sich im großen und ganzen um eine einzelne Idee. Natürlich stimmt das nicht wirklich. Banks' Science Fiction sprüht vor Ideen, verbindet sehr moderne Konzepte (Transhumanismus, intelligente Computer und Materialien etc) mit Plots von Galaxis-umspannenden und Äonen-durchscheitenden Ausmaßen. Das ist auch hier nicht anders, und die schiere Menge an brillianten kleinen Einfällen und Informationsschnipseln, die das komplexe, ambivalente Bild der panhumanen, pangalaktischen Zivilisation "Culture" mehr und mehr abrunden, ist fast einschüchternd. Trotzdem, eine zentrale Idee ist der Dreh- und Angelpunkt des Romans: die Idee von den Shellworlds. Dies sind künstliche Planeten enormen Ausmaßes, die im Grunde konzentrische Kugelhüllen sind (sagt man das?), jede Ebene etwa 1000km hoch und mit ziemlich vielen "Türmen" abgestützt. Im Zentrum der Shellworld gibt es einen "Maschinenraum" wo der WorldGod lebt, denn die riesigen Planeten waren einst für etwas anderes gedacht, als nur als Planet zu dienen -- als sie vor Milliarden von Jahren (!) erbaut wurden. Folgende Zivilisationen, vielleicht längst vergessen, haben die Ebenen der Planeten bewohnbar gemacht, kleine Sonnen installiert, die an den Decken herumrollen, haben Zivilisationen dort angesiedelt. Von einer solchen Shellworld, Sursamen, genauer gesagt vom Krieg zwischen den mächtigen Königreichen zweier Ebenen dieser Shellworld, geht die Geschichte aus. Verlässt die Welt für eine Weile, kehrt zurück. Und hat bei diesem Schlenker so derart an Fahrt und Maßstab gewonnen, dass am Ende weit weit mehr auf dem Spiel steht, als die machthungrigen Possen einer "unterentwickelten", ja vielleicht sogar barbarischen Zivilisation.
Und das ist ein Kernthema des Romans: das Verhältnis von Zivilisationen zueinander. Da gibt es die Sarl, die leicht unterentwickleten Bewohner der Shellworld Ebene 8, aus deren Reihen sich (neben den Banks typischen Dronen und Schiff-Minds) die meisten der Hauptdarsteller rekrutieren, welche von den Oct (aquatische Aliens) betreut oder als Mentoren überwacht werden. Die Oct (welche sich für besonders wichtig im Zusammenhang mit den Shellworlds halten) liegen mit den Aultridia (die sich auch für ziemlich wichtig halten) im Clinch und nutzen die Menschen der Shellworld für ihre Stellvertreterkriege. Die Oct und die Aultridia wiederrum werden von den Nariscene überwacht, welche wiederum von den Morthanveld überwacht werden. Erst die Morthanveld sind auf Augenhöhe mit der Culture, eine "involved"-civilisation, wobei "involved" hier "verwickelt in die galaktische Diplomatie" bedeuten soll. Und zwischen all diesen Schichten -- Schichten scheint ein Quell der Inspiration für diesen Roman zu sein -- herrschen strenge Regeln was Einmischung und Nichteinmischung angeht. Dies führt zu der amüsanten Sequenz, in der einer der Hauptdarsteller des Romans, Prinz Ferbin (der im Zuge des Romans zum galaktischen Exilanten wird), einen Morthanveld-Politiker zu überzeugen versucht, sich in den Konflikt im Sarl-Königshaus einzumischen... die "Erste Direktive" der Sternenflotte aus Raumschiff Enterprise lässt hier grüßen. Ist es moralisch gerechtfertigter, sich einzumischen um proximales Unglück zu verhindern, oder verhindert man eher distales Unglück wenn man sich nicht einmischt ... auch wenn dies kurzfristig Leid und Schrecken bedeutet?
Der Roman an sich ist gut, er ist anfänglich mysteriös und vertrackt, man bekommt gute Gelegenheit sich mit dem "Barbaren" Ferbin und seinem Diener Holse (der viel praktischer denkt als sein Herr und Meister) auf die weite Reise in die Culture zu begeben und zu lernen, eine prima Identifikationsfigur. Und zum Ende hin ist die Story derart fein vorangetrieben, derart actionreich, dass man die letzten 200 Seiten am liebsten am Stück weglesen würde. Hochsolide SF-Action-Kost. Auch wenn das Ende doch etwas, naja, abrupt und atemlos ist, wie ein gewaltiges Crescendo oder klirrendes Gitarrengekreisch am Ende eines Rocksongs.
Alles in allem aber, das muss man leider sagen, nicht Banks' allerbester SF-Roman. Die galaktischen Intrigen kommen nicht an die genialen Verwirrungen der Ship-Minds aus "Excession" heran, die Boden-Action dringen nicht in die dreckigen Tiefen und dramatischen Höhen von "Use of Weapons" vor. Dennoch ein sehr guter Culture-Roman mit einer soliden Geschichte. Hat ein wenig den Hauch von "das wollten meine treuen Fans mal wieder lesen"... was ja auch stimmt. Man kriegt den Hals einfach nicht voll von verschwörerischen AI's, renitenten Kampfdronen, lasziven Agentinnen der Special Circumstance Abteilung der Culture und von wirklich ziemlich bizarren Aliens. Mehr davon kann gerne kommen. Und die philosophischen Gedankenspiele über Einmischung und Nichteinmischung "überlegener" Kulturen in die Geschicke "weniger entwickelter" Gruppen hat, anders aber ähnlich, durchaus Bezug zu unserer Realität. Und SF ist einfach am besten, wenn es nicht nur um S oder F geht...
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