Montag, Juni 25, 2007

Mittelaltermarkt

Bin ja ohne Zweifel ein Fantasy-Fan. Und man kann eine gewisse "mittelalterlichkeit" in den allermeisten Fantasysettings nicht verneinen. Aber es ist eine Sache, sich eine (vielleicht) idealere Welt voller Geheimnisse und Abenteuern auszudenken, deren Komplexität absichtlich in Grenzen hält, und es ist eine ganz andere Sache mit ganz eng gesetzten historischen Scheuklappen, viel Wunschdenken und geradezu bestechender Ignoranz so zu tun als sei das "reale" Mittelalter eine ganz tolle Sache gewesen.
War am Sonntag (aus Versehen) auf einem Mittelaltermarkt in Schloß Burg in Solingen. Naja, ich war da schon lange nicht mehr, die Burg ist echt lohnenswert weil der Museums- und Besichtigungsrundgang durch Rittersaal, Türme und Wehrgänge und Bergfried echt nett ist. Auch wenn das Museum ziemlich schwach dokumentiert und wie ein wildes Sammelsurium von Artefakten rüberkommt. Egal. Für Kinder ist Schloß Burg super.
Aber wir dachten eigentlich einen Kunsthandwerkermarkt zu sehen. Stattdessen war es diese unerträgliche Klientel von Liferollenspielern und Re-enactment Typen, die in ihren grässlichen Bettlakenoutfits da herumsprangen und vermeindlich mittelalterlich taten. Also, geschwollen gequatscht oder wahlweise herumkrakeelt haben. Mit Schwertern und anderen Mordwerkzeugen in der Kapelle der Burg vor dem Altar Fotos geschossen haben (weil das so schön mittelalterlich ist, versteht sich). Und Feuer in Grillen gemacht haben, weil auch das hat man damals jeden Tag gemacht. BBQ halt. Und eine Prise Nazi-Germanien Scheisse ("Odin Met" oder son Dreck) haben sie auch noch dazu gemixt. Also irgendwie... muss man mal darüber nachdenken, was dieses immergleiche Klientel so zu diesem Genre zieht? Damals waren Männer vielleicht noch echte Männer (haben sich also mit der Axt den Kopp eingewemst) und Frauen bestimmt noch echte Frauen (also am Herd oder im besten Fall intrigantes Burgfräulein, aber Rollenverteilung auf jeden Fall 1a). Vielleicht ist es das. Klare Strukturen und einen da oben der regiert dem man blind vertrauen kann und Zujubeln und auf Feldzüge folgen, immer Treu und Ehre und so. Und nach herzenslust und Blut und Boden und Ahnen einen runteronanieren, das waren noch mächtige Reiche... jaja.. kotzbrechspeihspuck...
Ok, das war nun eine sehr negative Sicht. Aber man hat nun wirklich nicht den Eindruck dass viele von den Leuten in diesem LARP/Reenactment Genre sich sonderlich viele Gedanken machen. Im allgemeinen nicht. Über die Gegenwart und die Realität, die so unangenehm komplex und vielschichtig ist aber erst recht nicht. Also nur Escapismus? Wie gesagt, es gibt auch eine völkisch-politische Komponente darin, die mich schon sehr abgeschreckt hat als ich vor vielen Jahren mal ein kurzes tete-a-tete mit dem Liferollenspiel hatte. Es wird sich jedenfalls nicht nach einer freien, modernen, emanzipierten Gesellschaft gesehnt in diesen Kreisen. Mehr sag ich erst mal nicht.

1 Kommentar:

Bilingual Blah Girl hat gesagt…

Oh cool, Schloß Burg, da war ich auch mal!! (Ich find ja schon den Namen so geil, hehe.) Das war, als die Schweden da waren. Super Erklärung, gell? Will sagen, es gab einen Besuch von schwedischen Studenten, die deutsch lernten, bei uns dt. Studis, die versuchten, Schwedisch zu lernen an der RUB. Dürfte so ca. 2000 oder 2001 gewesen sein, irgendwann im Sommer. War nett, weil wir viele Ausflüge gemacht haben und ich so das mir noch recht fremde NRW etwas zu entdecken (Kemnade, Hattingen, Landschaftspark Duisburg-Nord etc.)

Dein Eindruck vom Mittelaltermarkt bzw. dieser Patriotismus hingegen, not so cool!