Dienstag, April 10, 2007

Abenteuerschauplätze im Vergleich: Folge 3

Die Stadt

Zunächst einmal zur Abgrenzung: ja, es gibt Städte in deren Einbahnstraßengewirr sich eine gestandene Abenteurergruppe verlaufen würde, mit Vierteln die gefährlicher sind als die siebte Ebene vom Kerker der Verzweiflung. Und genausoviel Müll liegt auch herum. Aber Städte sind keine Dungeons.
Das liegt daran, dass ein Großteil der Bevölkerung einer Stadt friedliebend ist und einen Sinn hat, während im Dungeon alles voller Monster wuselt und Sinn mit der Lupe gesucht wird.
Städte sind Orte voller Möglichkeiten. Hier wird gekauft und verkauft. Es wird gegaukelt und stiebitzt, es wird geredet und gesungen. Abenteuer die in Städten spielen sind meist farbenfroh, kompliziert und unterhaltsam. Nicht seicht, aber locker. Wie Städte und Städter eben so sind.
Städte sind friedliche Orte. Hier schweigen die Waffen, hier regiert die Wache und das Gesetz. Auch in Vierteln, in denen die Stadtwache sich nachts nichts getraut -- denn hier regiert das Gesetz der Unterwelt. Der Diebesgilden und Mafiosi. Weil, Städte sind hochstrukturierte Orte, in denen enggeknüpfte soziale Netzwerke zum Verhandeln, Intrigieren und Kompromisse-schliessen einladen. In Städten schmollt der Barbar, der Zwergenkrieger reibt sich verlegen den Bart (weil er seine Axt am Stadttor abgeben musste). Dafür frohlockt der Barde. Und der subtile Mentalist wetzt seine Beeinflussungs-Zauber, auf dem Weg zum Bankett beim Bürgermeister.
Städte sind also rollenspiellastig. Es wird geredet. Es wird geplant und wenig gewürfelt. Viele Menschen mögen das, anderen fehlen zünftige Kämpfe. Aber auch wenn die Langeweile den Krieger zu Dummheiten treibt - dies sollte vermieden werden. Städte sind Orte der subtilen Vorgehensweise (zumindest nach Maßstäben einer durchschnittlichen Abenteurergruppe). Es gilt die Gilden, die Bürger, den Kanzler und was weiss ich nicht alles für Sitten, Gebräuche und unausgesprochene Tabus zu beachten. Wers mag, wird eine großartige Zeit haben. Nur die Phantasie der Spieler und SLs begrenzt die Komplexität dieses Schauplatzes.
Apropos. Im Grunde genommen gibt es nur zwei Typen von Städten im Fantasy-Rollenspiel. Es gibt "die Stadt" und es gibt "die Stadt + x".
"Die Stadt" ist sich im Grunde überall gleich. Oft existieren wundersamerweise keinerlei Karten von diesen Ortschaften. Es gibt ungewöhnlich stereotype Tavernen, einen Markt, es gibt sogenannte "Ausrüster" (Läden, die nur den Zweck erfüllen, grässlich langweilige Einkaufstouren abzukürzen) und halt alles was man so braucht. Schmied. Diebesgilde. Puff. Im Grunde gilt für "die Stadt", was für die Einkaufspassage der westlichen Welt gilt: kennst du eine, kennst du alle.
"Die Stadt + x" hat nun alles, was "die Stadt" auch hat, plus eine (und meist auch nur genau eine!) Besonderheit. Eine besondere Sitte oder ein spezielles Gesetz. Kanäle anstatt Straßen. Einen hohen Anteil an orkischer Bevölkerung. Eine Schwebebahn. Ein ordentlich ausgebildeter Abenteurer lässt sich von der "Stadt + x" nicht täuschen und steuert zielstrebig die ebenso stereotypen Tavernen und Puffs und Ausrüster an. Weil letztlich... aber wollen wir mal nicht so sein. Es gibt schon ziemlich freakige Städte in dieser Kategorie. Schwebende. Schwimmende. Oder welche, in denen das Standard-Geldsystem der Spielwelt nicht angewendet wird, sondern die Münzen nach dem Hexadezimalsystem funktionieren. Da kann man schon mal ein echtes Abenteuer erleben, wenn es nur darum geht die Brückengebühr zum betreten der Stadt zu entrichten.
Ist man einmal drin spaltet sich das Abenteurerleben in der Stadt recht dichotom. Entweder, man shopped nur kurz und ist nach einem Bad wieder in der Wildnis. Oder man erlebt ein eigenes Abenteuer in der Stadt. Dann geht es aber los. Stadtabenteuer sind, wie oben erwähnt, meist vertrackte Geschichten, bei denen es viele Zwänge und Faktoren zu beachten gilt und die in den allermeisten Fällen durch intensives Rollenspiel (oder sehr, sehr gezielte Schwerthiebe) gelöst werden. Oft geht es kriminalistische Fälle, was interessante Genre-Crossovers zulässt (was trägt ein Kriminalermittler der Stadtwache, wenn es keine Trenchcoats gibt?). Oder es geht um Politik, Intrigen und Verrat. Hier können die Abenteurer meist einiges gewinnen, wenn auch eher ideeller Natur. Gold gibt es, ausser in diesen Riffifi-meets-Rumtifusel-Kampagnen (aka "die andere Seite des Gesetzes") meist nicht so viel zu holen.
Eine dritte Möglichkeit für klassische Abenteuer sind die sogenannten "Katakomben unter der Stadt". Auch Pestlöcher, Kanalisation, Grabgänge. Zumeist die Domäne von schlabbernden Untoten, schmierigen Gangstern oder schelmenhaften Widerstandskämpfern. Da lässt sich dann schnurstraks ein Dungeon-Abenteuer an die Stadt ankoppeln, damit die Spieler maximal ausser Atem kommen und auf dem Rückweg direkt neben dem Ausrüster auftauchen können. "Ah, Venedig!"
Am Ende noch ein Wort der Vorsicht: Städte sind, aufgrund ihrer Komplexität und Vertrautheit im echten Leben, ziemlich schwer zu meistern. Für Spieler wie SLs sind sie anstrengend, denn ein leerer Plan oder Gassen voller namenloser Häuser versauern einem den Spass schon. Man will irgendwie eintauchen, aber es wird einem manchmal nicht leicht gemacht. Hier sind beide Seiten des Sichtschirms gefragt, eine lebhafte, spielerische Umwelt zu schaffen UND gleichzeitig noch das Abenteuer oder so durchzuziehen. Das kann sehr, sehr lohnend sein. Das kann aber auch nach hinten losgehen. Also, lieber erstmal Finger weg von Städten, wenn man noch mit den Regelfeinheiten des Systems oder dem Prinzip des Rollenspiels zu haspeln hat oder man mit einem Haufen pickliger Munchkins am Tisch sitzt, die nur Metzeln wollen...

Sterbepotential: 3/10... Städte sind recht sicher. Ok, es gibt Seuchen. Und Straßenräuber in den miesen Vierteln. Und vielleicht Giftattentate. Oder betrunken Kutschenfahrer, die den Zebrastreifen übersehen. Aber all das kann einen gestandenen, hochstufigen Abenteurer eigentlich nicht wirklich gefährden. Wie in der Taverne droht hier eher Kerker oder derartige Exekutive.
Gewinnpotential: 5/10... meist gibt man Geld aus, die Stadtluft macht zwar frei aber auch arm. Mieten, Unterhaltszahlungen, Schweigegeld. Die Liste ist lang. Gewitzte Abenteurer verscherbeln überzählige Gegenstände, steigen voll in Getreidespekulationsgeschäfte ein oder klauen wie die Raben - daher die mittlere Wertung.
Fun-Factor: 7/10 bzw 3/10... die erste Wertung gilt für rollenspielerisch begeisterte, für die ehrbaren Einbrecher, heißblütigen Händler und blasinstrumentierten Barden. Die werden in der Stadt ihren Spaß haben, ja - sie sind hier zuhause. Mordaxt schwingende Barbaren und introvertiere Waldläufer werden sich etwas deplatziert fühlen.
Grusel-Factor: 2/10... Stadt nicht wirklich grusel-begabt, es sei denn man begibt sich in die Katakomben oder hat mit einer echt unheimlichen Verschwörung auf höchster Ebene zu tun
Gesamtwertung: 6/10... klar, eine Stadtepisode gehört irgendwie in jede Kampagne, und sei es nur Start oder Ende. Dennoch sollte man sich gut überlegen, ob man sich als Gruppe und SL ein ganzes (möglicherweise mehrfache Sitzungen langes) Abenteuer zutraut. Städte können rasch unglaubwürdig und lahm wirken, wenn man sich nicht viel Mühe beim Vorbereiten gibt oder ziemlich gut im Improvisieren ist (Tipp: einmal erfundende Fakten unbedingt mitschreiben!). Und ausserdem haben Städte eine möglichweise immanente Schwäche: man kennt diese engen Straßen und ihre manchmal noch engeren Regularien aus dem echten Leben nur zu gut -- und dem will man schliesslich ja auch irgendwie entfliehen, im Rollenspiel.

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