Freitag, August 18, 2006

Urlaubsbericht

Halb liegend auf einer genau im richtigen Maß ausgeleierten Couch, eine Flasche Bier in der Hand. Das Lagerfeuer brennt knisternd und krachend, strahlt Wärme in mein Gesicht. Musik, nicht ganz die Musik die ich ausgewählt hätte, aber akzeptable Musik. Und um mich herum interessante Leute, gutaussehende Leute, schräge Leute. "Woodstock 69" heisst der Laden, eine Strandbar am Dünenrand in Zandvoort. Seit Jahren, und das mein ich so, denn es handelte sich um meinen 10ten Zelturlaub in Zandvoort mit meinen Kumpels, jedenfalls seit Jahren gehn wir ab und zu in diese Bar wenn wir mal wieder an unserem "Stammplatz" unsere Zelte aufgeschlagen haben. Immer sorgt es für quasi-religiöse Glücksgefühle in mir, so eine Mischung aus Piratenromantik und Beck's Werbung. Man wird leicht philosophisch, wenn man zu schrägen Electrobeats in ein Lagerfeuer gafft, jaja, ist schon klar... wie dem auch sei, der Laden kam durch mindestens einen Spiegel-Online Artikel zu zweifelhafter Berühmtheit und ist ein wenig, oha, kommerzieller geworden. Man kann seit einigen Jahren da essen. Essen, indeed! Das ist der Anfang vom Ende, der Schritt in die langweilige Normalität, wo früher ein Hauch von Strandanarchie, ein Hauch von Tortuga war. Ich sag das als einer, und das soll nun absichtlich erfahren und weise klingen, der schon ins Woodstock 69 gegangen ist, als es noch eher eine Bretterbude ganz am Ende der Pavillionreihe in Bloemendaal war. Hach, alles machen sie einem madig. Scheisskapitalismus.

Überhaupt hat sich dieses Jahr ein bischen verändert. Wir hatten 4 Zelte für 8 Leute (ich hatte mein eigenes GANZ FÜR MICH, wie protzig), der Anteil an gemütlichen Angler-Camping-Sesseln war sehr hoch (ich bevorzuge immer noch einen auf die Seite gestellten Bierkasten) und alles war irgendwie gut organisiert. Peter hat es auf den Punkt gebracht - wir sind nun halt schon sehr hochstufige (=sehr erfahrene) Camper und haben einen hohen Wert auf den Skill "Camping"... um es mal im unvermeidbaren Rollenspieler-Jargon auszudrücken.
Aber einen riesigen Spass hat es "trotzdem" gemacht, das am Strand liegen, das Grillen, das Biersaufen und Musikhören. Das Unfug labern und auch das plötzliche Umschwenken in sehr interessante Gespräche über das Leben im allgemeinen und den ganzen Rest. Ich hab mich, auch ob der noch "drangehängten" Tage Mittwoch bis Freitag in geringerer Besetzung (und demnach geringeren "Stress") sehr sehr erholt. Auch gesundheitlich, will ich erwähnen, denn ich hab meine am Anreisesamstag noch heftig nachwirkende "Mini-Grippe" soweit übrwunden, dass ich am Mittwoch sogar in der Nordsee schwimmen war (diesmal weder Killerwellen noch Robben gesichtet). Strandfußball gespielt hab. Leckere Sportzigaretten mitrauchen konnte. Und ich hatte Zeit und Muße a) ein Buch zuende zu lesen (Consider Phlebas von Iain M. Banks, sehr gutes Buch) und b) einen kleinen Biertest "exotischer" beneluktischer Biersorten zu starten. Abgesehen von dem Grolsch und dem Heineken (das sowas wie die Grundlastversorgung sicherstellt...) trank ich im heldenhaften Selbstversuch und in geringeren Mengen (zwischen 1 und 6 Flaschen)...
  1. Amstel 1870
  2. Hoegaarden
  3. Wieckse Witte
  4. Grolsch Weizen
  5. Westmalle Trappisten Starkbier 7,7%
Während Amstel 1870 ("krachtig!") ein "herbe Enttäuschung" war (pun intended), und das ausgesprochen leckere aber unspektakuläre Grolsch Weizen das am weitesten abgerundete Produkt war (es wird in Kürze den deutschen Biermarkt erobern, da bin ich sicher), muss man zu den Nummern 2, 3 und 5 ein paar Worte Meer verlieren. Hoegaarden und Wieckse Witte sind, so ähnlich so schmecken, eigentümliche Biere. Nominell, also laut Etikett, ein Weißbier. Beide Biere sind nun noch "aromatisiert" (wenn ich die website bzw. website richtig versteh mit Zitronenschalen+Koriander im Fall von Wieckse und Orangenschalen+Koriander im Fall von Hoegaarden). Hier in Deutschland, die Diktatur des Reinheitsgebots erst kürzlich durch widerliche Mischbiergesöffe etwas aufgeweicht, trotzdem Stoff genug für ein Anathema. Aber tatsächlich - angenehm weich und interessant im Geschmack, nicht zu süß für meine Nordbier erprobte Zunge, nicht zu wäßrig. Im Januar in den USA hab ich ein ähnliches Bier (namens "Blue Moon") getrunken und mich noch geekelt. Nun bin ich weiter, hab mich in eine neue Biertrinkebene transzendiert, quasi. Hehe. Jedenfalls sehr lecker, die Biere mit der Kennziffer 2 und 3. Trotz der geschliffene Massentauglichkeit von Grolsch Weizen und den eben diskutierten Vorteilen von Hoegaarden und W.W. gewinnt das Trappisten Starkbier den Wettbewerb. Ok, ich muss gleich vorwegschicken, das ist kein Bier mit dem man sich auf einer Party wegschädeln sollte. Zu stark, zu sättigend, zu "dick" ist es dafür. Aber der Geschmack. Meine Güte, herrlich. Dabei sind Trappisten alles andere als sympatisch, ich zitiere aus dem zugehörigen Wikipedia-Artikel: "Im Vordergrund (..) standen Selbstverleugnung, Demut und Askese. De Rancé [der Gründer] lehnte aus Demut jegliche wissenschaftlichen Studien im Kloster ab. Die Askese der Trappisten äußerte sich in strengen Schweigeregeln, harter Handarbeit, insbesondere in der Landwirtschaft, und strengen Abstinenzregeln". Mein Lieber-Herr-Gesangsverein! Nix Bruder Tuck, das sind so richtige Hard-Core Christen. Na gut, wenn man so leckeres Bier hat, dann kann einem der Rest wohl egal sein...

Wuah, da bin ich etwas vom Thema abgeglitten. Urlaubsbericht, sollte es doch sein. Nun bin ich jedenfall wieder zuhause, der Zelturlaub ist rum. Ich fühl mich SEHR entspannt. Hab kein Problem mit dem Gedanken, ab nächster Woche wieder zu arbeiten - die nötige geistige Distanz ist nun wieder hergestellt. Urlaub war also ein 100%iger Erfolg. Wenn das nicht mal ein schöner Schlußsatz ist...

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